Kein Witz
Private Kindergärten in Finnland sollen Gebühren für sämtliche Lieder zahlen, die in ihren Räumen vorgespielt werden. Oder die selbst gesungen werden. „Prinzipiell muss man für jegliche Musik, die außerhalb von Privaträumen aufgeführt wird, Copyright-Gebühren zahlen“, erklärte Marja-Leena Karjula von der nationalen Urheberrechts-Agentur Teosto. Soweit die Meldung. Nun scheint Finnland weit weg und die Meldung uns und mich nichts anzugehen. Tut sie aber. Denn jene finnische Urheberrechtsagentur hat einen Vertrag, der auch mit der deutschen „GEMA“ gekoppelt ist (Gesellschaft zur Erfassung mechanischer ....Aufführungs(...)Rechte. Diese Worte gaben ihr den Namen). Und was in einem EU-Land erstmal Geld bringt, wird alsbald in anderen EU-Ländern, besonders den geldbedürftigen, nachgeholt und EU-Recht. Also ganz bald bei uns, weil unser zwangsweise geldgeiler Staat das Geld auch braucht, wenn es aus unsinnigsten Quellen sickert. Besonders geht die finnische Regelung und baldige deutsche Nachahmung mich an. Denn Leute - wie ich -singen auch in nichtprivaten Räumen. Zum Beispiel wenn ich höre, dass ein Student Geburtstag hat, dann stimme ich einen Kanon an, dessen Autor noch nicht 75 Jahre tot ist, also urheberrechtlich geschützt. Oder wenn Christine und ich einsame Kirchen besuchen und allein sind - dann singen wir auch dort. Bald werden wir zahlen für diese spontanen oder einsamen Künste. Weil Hörsaal und Kirche öffentliche Räume sind. Wie in Finnland. Und ab zwei sind wir schließlich schon Gruppe. Oder unser neuer Nationaler Feiertag deutscher Einheit am 3. Oktober: Da wird die Generation nach uns hoffentlich endlich wieder unbefangen genug sein, um unsere Hymne ohne heutige Verkrampftheit und gebrochene Identität singen zu wollen. Ohne gleich ganz rechts zu sein. „Ach das könnte schön sein", sangen die Gauner im Spukschloss im Spessart: Singen wie die Skandinavier, wie die Schweizer, wie alle die, ohne unsere brüchige Geschichte. Doch die Hymnensänger werden - zum Beispiel auf dem Wanderweg vom Immenhof/Melzingen nach Uelzen nur teilweise kostenlos singen. Denn ab Stadtforstgrenze stehen die Fahnder hinter den Bäumen des öffentlichen Waldraums und kassieren. Ja, nicht mal auf Bundesautobahntoiletten dürfte kostenfrei gesungen werden - alles öffentliche Räume. Obwohl - bei besonders geruchsintensiven Räumen wie den letztgenannten vielleicht die Kontrollorgane des Staates weniger anzutreffen sind als im öffentlichen Wald und auf der Heide. Kein Witz: Die Teosto in Finnland macht die neue Strenge der künftigen EU schon vor: Von den Kindergärten zieht sie jetzt monatlich 18,74 Euro pauschal ein. Und die Taxifahrer müssen seit letzten Jahr 22 Euro pauschal abführen. Für in Taxis gespielte Musik. Denn auch ein Taxi ist öffentlicher Raum.
7. Oktober 2003